Tentakelporn aus Südkorea

Die Taschendiebin (2016)

Ein Film über Täuschung und Rache – klassisches Park Chan-wook Material. Der südkoreanische Regisseur ist bekannt für Oldboy und Stoker. Stoker ist eine US-Produktion, die ich gerne mochte. Oldboy ist bis heute einer meiner absoluten Lieblingsfilme (mit Lieblingssoundtrack). Thematisch ein bisschen aus der Reihe tanzt I’m a Cyborg, But That’s OK, aber auch diesen skurrilen Psychiatrie-Drogentrip weiß ich sehr zu schätzen. Was ich damit sagen will: Ich bin ein bisschen Fan. Und euch seien diese Filme ans Herz gelegt.

Die Taschendiebin oder zu Englisch The Handmaiden spielt im Korea der 30er Jahre unter der Besatzung Japans. Eine Taschendiebin wird in das Anwesen einer reichen Lady eingeschleust und sie soll diese für einen Schwindler täuschen, verführen und ausrauben.

Als die Leinwand im Alabama-Kino langsam aufgezogen wurde, war ich ganz irritiert von der Helligkeit und den Farben der Bilder. Ich dachte, das sei ein düsterer Film voller Gräuel. Doch Die Taschendiebin beginnt ungewohnt bunt und lebensbejahend – Schnitt – alles wirkt düster und tödlich. Das Anwesen der Lady ist ein Schauplatz des Horrors. So ziehen sich die Kontraste durch den Film fort und jede dunkle Szene wirkt umso düsterer und jedes Licht überstrahlt alles Vorangegangene. Park Chan-wook spielt mit der Kamera, wie andere ein Instrument meistern. Seine Kompositionen erinnern an Wes Anderson und sind sogar weitaus interessanter als die ewigen Spiegelungen des amerikanischen Regisseurs.

Der Film ist in drei Teile gegliedert. Dabei wird die Geschichte grob aus drei verschiedenen Sichtweisen erzählt und teilweise mit mehr Information wiederholt. Der Aha-Effekt ist nicht so groß wie bei einem Shyamalan-Film, aber groß genug, um mit Interesse erneut auf Details zu achten und vergessene Andeutungen neu zu entdecken. Der Film rekonstruiert sich selbst. Der Regisseur nimmt einem das zweite Schauen ab und erklärt seine wichtigsten Elemente selbst. Das klingt zunächst so, als wäre das eine langweilige Herangehensweise, aber falsch gedacht. Diese Auseinandersetzung mit der Konstruktion ist mit das Beste am ganzen Film.

Ich schreibe von diesem Film in den höchsten Tönen, aber dennoch kann ich ihn nicht jedem empfehlen. Die Taschendiebin dauert mit zweieinhalb Stunden relativ lang. Der Film ist höchst überspitzt dargestellt und erinnert mit seinen Charakteren und Szenen an exzentrische Manga- oder Animedarstellungen, die für die meisten ungewohnt sein sollten. Außerdem hat er eine unangenehme Menge Sex zu bieten, der von Erotik bis Tentakelporn reicht. Natürlich ist alles im Rahmen und man sieht nichts, was man nicht sehen dürfte. Aber die Thematik ist im Film enthalten und wirkt mitunter unangenehm skurril. Wer sich damit abfinden kann und sich auf ein kleines Abenteuer ins südkoreanische Kino einlässt, wird begeistert sein.